Kaum ein Bereich ist derart stark mit dem gesamtwirtschaftlichen Wandel verbunden wie die Mobilität. Aber auch innerhalb von Einzelunternehmen beeinflusst die Gestaltung von Mobilität ganz massiv erfolgsbestimmende Kriterien wie Mitarbeitendenzufriedenheit, Innovations- und Disruptionsfähigkeit oder verschiedene ESG-Faktoren. Dabei sind die Entscheider hier mit ganz unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert. Und diese sind selten „aus Bordmitteln“ zu lösen.
In einem Interview mit mobiliTree verrät Ryjan Rutgers, CEO von MHC Mobility, einem der erfolgreichsten und erfahrensten europäischen Dienstleister für betriebliche Mobilitätslösungen, warum Mitarbeitende mehr Flexibilität in der Mobilität wollen, wie Dienstleister hier mithilfe von Digitalisierung unterstützen können, und was er ganz persönlich in seinem Mobilitätsverhalten geändert hat.
Herr Rutgers, MHC Mobility hat bereits 60 Jahre Erfahrung im Markt. Die Ansprüche an Mobilität heute haben wohl kaum noch etwas mit den 1960er-Jahren zu tun. Wo liegen für Sie die größten Unterschiede?
Ryjan Rutgers: Als Branchenvorreiter und Teil der Mitsubishi HC Capital gehören wir zu einer der stärksten Leasing- und Finanzierungsgesellschaften der Welt. Das ermöglicht uns einen sehr präzisen Blick auf die Veränderungen über unsere Kernregion hinaus.
Was in den letzten Jahrzehnten auf allen Märkten gleichgeblieben ist, ist die Bedeutung von Mitarbeitendenmobilität als der gemeinsame Motor unterschiedlicher Branchen. Stark verändert hat sich allerdings die konkrete Ausgestaltung.
Weltweit zeigt sich für uns in den letzten Jahren dabei ein Trend nach mehr Flexibilität in der Mobilität. Das gilt auch und insbesondere für die Mobilität innerhalb von Unternehmen. Der Dienstwagen an sich ist heute viel weniger Statussymbol als noch vor einigen Jahren. Viel wichtiger als ein bestimmtes Herstellerlogo am Fahrzeugheck ist heute die stimmige Gesamtlösung, die dem Mitarbeitenden auf der einen Seite einen wichtigen Teil seiner Arbeit erst ermöglicht – das war vor 60 Jahren nicht anders – zum einen aber auch erheblich zu seiner ganz konkreten Zufriedenheit beiträgt. Und das geht eben nur, indem die Mobilitätslösung sich regelmäßig den persönlichen Lebensumständen und Bedürfnissen anpasst. Diese ändern sich heute viel schneller und bisweilen spontaner als früher.
Das bestätigt auch unsere aktuelle Studie, mit der wir gerade unser Bauchgefühl durch Fakten bestätigt haben. 47% der Befragten betonten hier die Bedeutung des flexiblen Zugriffs auf verschiedene Fahrzeugtypen je nach Lebenssituation, sei es ein Kleinwagen für Singles, ein Kombi für Familien oder ein E-Auto für die Stadt. Zudem legen 33% großen Wert auf kürzere Vertragslaufzeiten. Diese Entwicklung zeigt, dass die Beschäftigten nicht länger an langwierige Verträge gebunden sein wollen und Freiheit darüber haben wollen, ihre Fahrzeugwahl den aktuellen Bedürfnissen anzupassen.
Besonders auffällig ist die Präferenz für kürzere Nutzungsdauern: Immerhin rund 40% der Befragten, denen ein Firmenwagen zur Verfügung steht, bevorzugen Vertragslaufzeiten von 12 Monaten oder weniger. Dies verdeutlicht den Wunsch nach häufigeren Wechselmöglichkeiten und einer größeren Anpassungsfähigkeit. Mit den starren Flottenmodellen der Vergangenheit ist dieser Wunsch kaum zu erfüllen. Flexibilität, etwa durch kurze Vertragslaufzeiten oder Wechselmöglichkeiten innerhalb der Verträge, ist uns deshalb besonders wichtig.
Wie kann dieser veränderte Bedarf ganz konkret etwa in einer Dienstwagenregelung umgesetzt werden? Geht das überhaupt?
Ryjan Rutgers: Das geht sogar sehr gut. Wertschätzung gegenüber Mitarbeitenden zeigt sich vor allen Dingen in der Antizipation ihrer Bedürfnisse. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels sollten Unternehmenslenker deshalb sehr genau hinhören, was ihre Mitarbeitenden in Sachen Mobilität heute erwarten. Wer das tut, der zeigt nicht nur Wertschätzung dem eigenen Team gegenüber, sondern gestaltet so auch aktiv die Zufriedenheit innerhalb des Unternehmens und setzt bei einer begleitenden Kommunikation auch wichtige Akzente in der Gewinnung neuer insbesondere jüngerer Mitarbeitender.
Der demografische Unterschied zeigt klar: Beschäftigte unter 30 Jahren legen besonderen Wert auf flexible Fahrzeugwahl (51%) und kürzere Vertragslaufzeiten (38%), während ältere Befragte über 50 Jahren diese Aspekte weniger stark priorisieren. Regional zeigen sich Unterschiede zwischen den Bundesländern. So ist in Bayern der Wunsch nach flexiblen Fahrzeugtypen mit 52% besonders hoch, während in Nordrhein-Westfalen kürzere Vertragslaufzeiten von 35% der Befragten bevorzugt werden.
Für uns als Dienstleister bedeutet das in erster Linie eine maximale Flexibilität bei Vertragsdauer und konkreter Ausgestaltung der Mobilitätslösung. Wir bieten mit unseren Angeboten bereits jetzt eine Nutzungsdauer zwischen einem bis 72 Monaten. Sie mieten ein Fahrzeug für sechs Monate oder 20.000 km, können es aber, wenn sich zum Beispiel ihre Lebenssituation geändert hat, mit einer längeren Mietzeit von z.B. vier Jahren mit 100.000 km nutzen. Oder sie fahren etwa als Vertriebler ein kompaktes sportliches Auto und ihre Familie „wächst“. Dann tauschen wir das Fahrzeug kostenfrei für unsere Kunden. Sie möchten von einem Verbrenner auf Elektromobilität, oder umgekehrt, umsteigen. Das ist für uns selbstverständlich und für den Arbeitgeber eine große Möglichkeit, den Mitarbeitenden gegenüber die nötige Wertschätzung zu zeigen.
Wie wichtig sind dabei andere Verkehrsmittel als das Auto?
Ryjan Rutgers: Sehr wichtig. Hier müssen wir zwingend über den Tellerrand schauen. Auch wenn wir uns als Dienstleister heute noch auf PKW und Nutzfahrzeuge konzentrieren, zähle ich zu diesen aktuell zunehmend nachgefragten Lösungen auch etwa Dienstfahrräder oder Nutzungsmöglichkeiten des ÖPNV. Es geht hier viel weniger um eine „entweder / oder-Lösung“ als um ein undogmatisches Miteinander. Die finale Konsequenz wäre für Arbeitgeber und damit unsere Hauptkundengruppe ein gesamtheitliches Mobilitätsbudget. Interessant ist dabei, dass unsere Studie dabei belegt, dass insbesondere Firmenwagenbesitzer einem Mobilitätsbudget, welches die flexible Nutzung verschiedener Verkehrsmittel ermöglicht, deutlich positiver gegenüberstehen als die Gesamtheit der Studienteilnehmer. 74% der Firmenwagenbesitzer befürworten ein solches Budget, im Vergleich zu 49% der gesamten Befragten.
Die Zeit der Mobilitäts-Dogmen ist vorbei. Wer heute einen Dienstwagen hat, fährt bei gutem Wetter möglicherweise auch mit dem Fahrrad zur Arbeit oder mit der U-Bahn zum Konzert. Ich bin mir sicher: Im Schulterschluss mit unterschiedlichen Partnern, die jeweils ihre Kernkompetenz zum Mobilitäts-Paket beitragen und auch mit Hilfe von digitalen Tools, können wir hier heute flexible Gesamtlösungen anbieten. Von einem Miteinander profitieren alle Disziplinen.
Und ganz persönlich: Wie hat sich Ihr persönliches Verhältnis zu Mobilität verändert?
Ich fahre sehr gern Auto. Und das seit rund drei Jahren vollelektrisch. Pro Jahr bin ich etwa 50.000 Kilometern auf vier Rädern unterwegs und habe nach einer kurzen Umstellung keine Einschränkungen durch den elektrischen Antrieb wahrgenommen. Im Gegenteil. Ich habe persönlich ein sehr großes Interesse an neuer Technologie und zum Glück das Privileg, im Rahmen meines Berufes meine Leidenschaften für technische Innovationen und das Autofahren mit Nachhaltigkeit und Klimaschutz in Einklang bringen zu können.
Das gilt auch für die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen. Wir haben unsere eigene Dienstwagenflotte auf Elektroautos umgestellt und tauschen hier auch regelmäßig durch, um etwa Reichweite, Ladegeschwindigkeit oder das Raumgefühl der Fahrzeuge beurteilen zu können.
Das ist mir ganz wichtig und das trage ich jeden Tag in unser Unternehmen: Die Offenheit für Technologien, das undogmatische Vorantreiben von nachhaltiger Mobilität aber auch das offene Ohr für Kunden, die nach wie vor konventionell angetriebene Fahrzeuge haben wollen – oder, wie häufig noch im Nutzfahrzeugbereich, brauchen.