Interview mit Dirk Frischknecht, Senior Manager Fleet/PBV bei Kia Deutschland, über flexible Elektro-Nutzfahrzeuge, innovative Ladelösungen und die Zukunft gewerblicher Mobilität
Herr Frischknecht, bei Kia ist gerade ein Kürzel in aller Munde: PBV. Erklären Sie doch bitte kurz, was es mit diesen drei Buchstaben auf sich hat.
Dirk Frischknecht: Hinter der Abkürzung PBV verbirgt sich unsere Vision einer „Platform beyond vehicle“, also einer Plattform, die über das klassische Fahrzeug hinausgeht. Mit ihr werden wir das Segment der elektrischen leichten Nutzfahrzeuge, kurz eLCV, revolutionieren. Üblicherweise steht PBV für „Purpose-built vehicle“, ein zweckgebundenes Spezialfahrzeug. Diese Bezeichnung trifft auch auf unsere PBVs zu, wir gehen aber einen großen Schritt weiter.
Was genau meinen Sie damit? Wie unterscheiden sich Ihre leichten Nutzfahrzeuge von anderen?
Dirk Frischknecht: Nun, da wäre zunächst die von Kia speziell für diesen Einsatzzweck entwickelte Skatebord-Plattform für Batteriefahrzeuge, die sich an verschiedene Radstände anpassen lässt und daher für viele Fahrzeuggrößen und Karosserietypen verwendet werden kann. Auf ihr entstehen zweckmäßige Elektrofahrzeuge, die zu den flexibelsten und technologisch fortschrittlichsten im eLCV-Markt gehören werden. Das klingt nach Marketing-Sprech, also lassen Sie mich das kurz übersetzen: Wir bieten mit den eLCVs eine Plattform, die den Nutzern nahezu unendliche Möglichkeiten bietet – vom Handwerkerumbau mit Regalen und Boxen über Kühlaufbau, Taxi oder rollstuhlgerechtes Fahrzeug bis zur Pritsche mit Kipper. Da sind den individuellen Wünschen unserer Kunden quasi keine Grenzen gesetzt. Einen Teil der Umbauten werden wir in unserem koreanischen eLCV-Werk, das kurz vor der Fertigstellung steht, selbst realisieren. Den anderen Teil werden renommierte Umbauer für uns durchführen, mit denen wir aktuell im Gespräch sind. Bei den Abmessungen und Ladekapazitäten liegen wir übrigens im Spitzenbereich, was den Einsatzbereich der Fahrzeuge weiter vergrößert.
Bei Elektrofahrzeugen denken viele zuerst an Ladegeschwindigkeit und Reichweite. Können Sie dazu schon etwas sagen?
Dirk Frischknecht: Ja. Dank ultraschneller Ladetechnologie kann ein Kia-PBV mit bis zu 150 kW Gleichstrom „betankt“ werden. Diese Ladeleistung ermöglicht es, den Akku in weniger als 30 Minuten von 10 auf 80 Prozent zu füllen – etwa in der Mittagspause oder während eines Kundenbesuchs. Um die Ladekosten niedrig zu halten, lassen sich Kia-PBVs auch an Wechselstromstationen zügig aufladen. Die AC-Ladeleistung liegt optional bei 22 kW. Die Reichweite richtet sich nach dem Bedarf des Kunden. Wir werden drei Batteriegrößen anbieten, mit denen sich pro Ladung 250 bis 400 km realisieren lassen.
Dennoch stellt das Laden viele vor eine Herausforderung. Wie geht Kia damit um?
Dirk Frischknecht: Wir denken Elektromobilität ganzheitlich – ob im Pkw- oder im eLCV-Bereich. Für unsere Kunden haben wir eine eigene Ladelösung namens Kia Charge entwickelt. Mit ihr haben unsere Privat- und Geschäftskunden Zugang zu aktuell mehr als 870.000 Ladepunkten in 27 europäischen Ländern, darunter mehr als 160.000 in Deutschland. Genutzt werden kann damit auch Europas größtes Schnellladenetzwerk Ionity, das in 24 Ländern über 4.100 Hochleistungsladepunkte betreibt, oder Aral Pulse, das hierzulande die Schnellladetechnologie in die Breite trägt – alles zu hochattraktiven Konditionen und bei voller Preistransparenz.
Bezahlt wird entweder mit der Kia Charge-Karte oder per Plug&Charge. Dabei wird das Fahrzeug an öffentlichen Ladestationen automatisch erkannt und muss nur noch an die Station angeschlossen werden, um den Ladevorgang zu starten. Zur Bequemlichkeit trägt auch der EV-Routenplaner von Kia bei, durch den sich der Fahrer die Ladeplanung sparen kann, weil das System bei Bedarf automatisch potenzielle Ladepunkte an der Strecke vorschlägt.
Flottenbetreiber können darüber hinaus die Vorteile von Depotladelösungen nutzen, um eine eLCV-Flotte an einem privaten geschäftlichen Hub oder Depotstandort aufzuladen.
Elektro-Skeptiker führen Zweifel an der Haltbarkeit der Technik, insbesondere der Batterie ins Feld. Sind solche Zweifel begründet?
Dirk Frischknecht: Nein, keineswegs. Aktuelle State-of-Health-Tests, bei denen der Gesundheitszustand der Batterien in Plug-in-Hybrid- und Elektrofahrzeugen untersucht wird, zeigen, dass Batterien wesentlich haltbarer sind als vielfach angenommen. Basierend auf unserer mehr als zehnjährigen Erfahrung mit vollelektrischen Fahrzeugen wissen wir, dass sich mit EVs wenigstens die gleichen, wenn nicht gar deutlich höhere Gesamtlaufleistungen erzielen lassen als mit Verbrennern.
Kia untermauert dies mit seiner im LCV-Bereich bislang einzigartigen Herstellergarantie über sieben Jahre bzw. eine Laufleistung von 150.000 Kilometer für das gesamte Fahrzeug bzw. sogar acht Jahre oder 160.000 km für die Batterie. Wir sind überzeugt, dass diese Garantien das Vertrauen der Kunden in die Zuverlässigkeit und Langlebigkeit der neuen eLCV-Modelle von Kia stärken werden.
Mit dem Einstieg in den eLCV-Bereich betritt Kia Neuland. Was sind Ihre nächsten konkreten Schritte?
Dirk Frischknecht: Wir starten zunächst mit dem PV5, einem zwischen C- und D-Segment angesiedelten eLCV, das es als Personentransporter, als Cargo-Variante oder als Chassis Cab geben wird. Die Cargo-Variante werden wir in je zwei verschiedenen Längen und Höhen anbieten. Während der Personentransporter an Privatkunden über alle aktuellen Kia-Partner vertrieben wird, bauen wir derzeit für das gewerbliche eLCV-Geschäft ein separates Händlernetz auf. Wir suchen nach Partnern, die über Nutzfahrzeugerfahrung verfügen und neben dem entsprechenden Know-how auch z. B. eine Werkstatt mit der erforderlichen Ausstattung vorhalten. Die ersten Verträge wurden bereits geschlossen. Bis zum Jahresende soll das Netz bis zu 40 Partner umfassen, bis zum Jahr 2030 weit über 100.
In Spanien haben Sie unlängst die Serienversion des PV5 enthüllt. Wann rollt das erste Fahrzeug nach Deutschland?
Dirk Frischknecht: Wir rechnen im Herbst mit den ersten Fahrzeugen, werden den Vorverkauf aber schon deutlich früher starten – noch im zweiten Quartal. Sobald es neue Informationen zu unseren eLCVs gibt, werden wir diese auf unserer Website unter www.kia.com/de zur Verfügung stellen. Dort wird dann natürlich auch eine Preisliste mit allen Details zu finden sein.
Wie groß schätzen Sie denn die Chancen ein, dass Kia eLCVs in Deutschland zum Erfolg werden?
Dirk Frischknecht: Sehr groß. Denn der PV5 wird die Wünsche sehr vieler Gewerbekunden erfüllen, die nach einem wendigen, leistungsstarken, kompakten und dennoch geräumigen, individuell gestaltbaren und hoch innovativen Transporter suchen, der vollelektrisch betrieben wird. Eines ist klar: An der Elektrifizierung der Flotten führt in Deutschland unter anderem aufgrund der wirtschaftlichen Vorteile, aber auch mit Blick auf die zu erwartende Last-Mile-Problematik in grünen Zonen kein Weg vorbei. Wir machen den Kunden das richtige Angebot zur richtigen Zeit.