Herr Djuren, als Sie 2019 zu Kia kamen, endete das Jahr mit dem Rekordergebnis von 70.000 verkauften Einheiten in Deutschland. Es folgte die Pandemie und ein langanhaltendes schwaches Marktumfeld. Wie herausfordernd war diese Zeit?
In der Tat hat die Pandemie auch die Automobilbranche vor enorme Herausforderungen gestellt. Bei Kia Deutschland ist es uns jedoch gelungen, die Herausforderungen in Chancen umzumünzen und kontinuierlich gegen den Markttrend zu wachsen. Das liegt nicht zuletzt an unserer innovativen Modellpalette, die für jedes Mobilitätsbedürfnis das passende Fahrzeug bereithält – vom effizienten Verbrenner bis zum preisgekrönten Stromer. Zudem haben wir mit Kia Flex eine erste Mobilitätslösung geschaffen, der weitere folgen werden. Es geht darum, Kunden Mobilität „on demand“ anzubieten – im Fall von Kia Flex als Autoabo, das inzwischen für alle Modelle abgeschlossen werden kann.
Mit dem Start des KIA EV9 gelang im Herbst 2023 ein Achtungserfolg. Die Fachpresse zeigte sich begeistert und mit dem „German Car of the Year 2024“ (GCOTY) sowie dem Gewinn des Goldenen Lenkrads in der Kategorie Familienauto konnten gleich zwei bedeutende Awards abgeräumt werden.
Ja, der Kia EV9 ist ein Fahrzeug, das seinesgleichen sucht. Die Kombination aus Größe und Flexibilität des Innenraums, Reichweite, Schnellladetechnologie, einer Zuglast von bis zu 2,5 Tonnen und der Fähigkeit, nicht nur andere externe Geräte wie beispielsweise E-Bikes, sondern auch ganze Häuser mit Strom zu versorgen bzw. mit dem Stromnetz zu interagieren, sobald die Politik das ermöglicht, macht ihn einmalig. Er ist somit nicht nur attraktiv für Familien, sondern prinzipiell für alle, die ein großes Fahrzeug mit emissionsfreiem Antrieb benötigen und dabei auf neueste Technologien nicht verzichten wollen.
Die positiven Kritiken sind das Eine. Mit dem EV9 tritt Kia in ein neues Segment ein. Wie wollen Sie diesen neuen Kundenkreis erobern?
Der EV9 ist kein Volumenmodell. Mit ihm wenden wir uns insbesondere an größere Familien, die nach einem wandelbaren Elektrofahrzeug suchen, aber auch an Geschäftskunden, etwa an mittelständische Unternehmer, die mit ihrem Fahrzeug ein Statement abgeben möchten. Nun geht es vor allem darum, mit kreativen Maßnahmen neue Kunden und Interessenten zu erreichen und sie hinters Steuer des EV9 zu bringen. Da sind wir als Importeur und unsere Handelspartner gleichermaßen gefragt.
Zum Start 2024 erhielten die Kia Händler neue Verträge, nachdem die alten Verträge aus 2013 stammten. Inwiefern haben sich die Anforderungen an den Handel in diesen 10 Jahren verändert?
Vor zehn Jahren stand Kia in erster Linie für praktische Fahrzeuge mit einem herausragenden Preis- Leistungs-Verhältnis. Nach wie vor bieten wir vergleichsweise viel Auto fürs Geld. Die Marke ist heute jedoch eine völlig andere. Im Januar 2021 haben wir das neue Kia präsentiert. Ziel ist nicht weniger als der Umbau des gesamten Unternehmens vom traditionellen Automobilhersteller zum Anbieter nachhaltiger Mobilitätslösungen. Mit der Transformation gehen auch ein neues Logo, ein neuer Slogan – „Movement that inspires“ – sowie ein neuer Unternehmensname einher. Aus Kia Motors wurde Kia. All diese Veränderungen müssen sich selbstverständlich auch im Handel widerspiegeln. Da geht es um ein modernes Erscheinungsbild gemäß unserer neuen CI ebenso wie um die technische Ausstattung des Autohauses etwa mit Ladesäulen und natürlich die EV-Kompetenz in Verkauf und Service. Kia möchte ein führender Anbieter elektrifizierter Fahrzeuge und Mobilitätsdienstleistungen werden und den Kunden ins Zentrum seines Handelns stellen. Das muss für Kunden an allen Touchpoints erlebbar sein – und zwar auch und besonders für all jene, die Kia bislang nicht auf der Shoppingliste haben. Für die neuen jungen Zielgruppen spielt vor allem die Digitalisierung eine große Rolle. Diesem Umstand tragen wir in all unseren Aktivitäten Rechnung.
Mit dem EV5 ist der kleine Bruder des EV9 bereits in China erhältlich. Wann sehen wir den EV5 auf dem deutschen Markt?
Bis 2027 wird Kia seine globale EV-Modellpalette auf 15 Fahrzeuge ausbauen. Eines davon wird der EV5 sein. Bleiben Sie gespannt.
Wie setzt sich die EV-Familie und dessen Strategie weiter fort? Mit dem EV3 und EV4 wurden bereits weitere Konzepte vorgestellt.
Ja, beim EV Day, der im vergangenen Jahr in Seoul stattfand, haben beide Konzepte ihre Premiere gefeiert. Zugleich wurde dort bereits vom EV2 gesprochen, der ab 2025 in unserem europäischen Werk in Zilina, Slowakei, produziert werden soll. Und auch die unlängst auf der CES in Las Vegas präsentierten PBVs – eine Kategorie, die wir mit „Platform Beyond Vehicle“ übersetzen – spielen im Rahmen unserer Zukunftsstrategie „Plan S“ eine enorm wichtige Rolle. 2025 wird unser PBV-Werk, das gerade in Korea im Bau ist, seine Arbeit aufnehmen und zunächst den PV5 produzieren.
Setzt Kia zukünftig vollständig auf Elektromobilität oder wie lange werden die Kunden auch noch Verbrenner von Kia erhalten?
Das hängt sehr von den Marktgegebenheiten ab. In Europa werden ab dem Jahr 2035 nur noch Fahrzeuge zulassungsfähig sein, die nicht mit Benzin oder Diesel betrieben werden. In anderen Regionen wird die Elektrotransformation jedoch deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen. Bislang hat Kia daher kein konkretes Datum für eine finale Umstellung bzw. den Ausstieg aus dem Verbrennergeschäft genannt.
Mit „Platform beyond Vehicle“, kurz PBV hat Kia sein neues Mobilitätskonzept vorgestellt. Was verbirgt sich konkret dahinter und wird Kia damit in naher Zukunft auch den Transporter-Markt in Deutschland angreifen?
Hinter unserem PBV-Angebot steckt eine ganzheitliche Mobilitätslösung. Wir kombinieren dabei zweckgebundene Elektrofahrzeuge mit fortschrittlichen Softwarelösungen, um den Weg zu völlig neuen Geschäftsfeldern und Lebensstilen zu eröffnen. Mit unseren PBVs wird es möglich sein, ein Fahrzeugchassis dank „Easy Swap“-Technologie für unterschiedliche Mobilitätsbedürfnisse zu nutzen. Hinter einer feststehenden Kabine bzw. Fahrerzone können dafür eine Vielzahl austauschbarer Aufbauten mit dem Basisfahrzeug verbunden werden. Dadurch lässt sich das PBV beispielsweise tagsüber in ein Taxi, nachts in einen Lieferwagen und am Wochenende in ein privates Reisemobil verwandeln. Das geht also sehr weit über das eigentliche Transportergeschäft hinaus.
Was klingt wie Science Fiction, ist bereits sehr real. Als erstes Modell wird ab 2025 der Kia PV5 produziert. Das vielseitige Elektrofahrzeug ist für wichtige Einsatzbereiche wie Ruf-, Liefer- und Versorgungsdienste optimiert und lässt sich aufgrund seiner Wandlungsfähigkeit an unterschiedliche Kundenanforderungen anpassen. Durch eine erweiterte Datenkonnektivität lassen sich mehrere Fahrzeuge bequem als softwaredefinierte Flotte betreiben. So sollen Ausfallzeiten reduziert und die Kosteneffizienz gesteigert werden. In Phase zwei wird die PBV-Modellpalette vervollständigt. Zugleich entwickeln sich die Spezialfahrzeuge zu KI-basierten Mobilitätsplattformen, die Daten verwenden, um mit den Nutzern zu interagieren und sicherzustellen, dass die Fahrzeuge immer up to date sind. In der dritten Phase werden sich die Kia-PBVs durch die Integration in das zukünftige Mobilitätsökosystem zu äußerst anpassungsfähigen Mobilitätslösungen entwickeln.
Herr Djuren, vielen Dank für das Gespräch.